IG Farben - Hydroforming-Anlage - Moosbierbaum

In Moosbierbaum (westlich von Tulln) befand sich eine bedeutende Treibstoffproduktionsstätte für Flugbenzin, die von den IG Farben-Ammoniakwerken Merseburg betrieben wurden und die Teil des IG Farben-Großkombinats Moosbierbaum war.

In der Anlage Hydroforming 1 (HF 1) wurde aus schlechtem rumänischen Treibstoff mittels "Hydroforming Process" hochoktaniger Flugzeugbenzin erzeugt, d.h. unter hohem Druck wurde unter Zusatz von Aromaten das Benzin verbessert. Nach dem Verlust der Rumänischen Erdölfelder wurde wahrscheinlich Benzin aus den "Ofen"-Anlagen weiterverarbeitet.

Die Hydroforminganlage HF 1 im Bau
©Archiv Donau Chemie
Die Hydroforminganlage HF 1 im Bau

Die Anlage Hydroforming 2 (HF 2) sollte hochwertige Schmieröle für Flugzeug-Kolbenmotoren herstellen. Die Bauarbeiten wurden jedoch nicht vor Kriegsende fertiggestellt.

Die Hydroforminganlage HF 2 im Bau
©Archiv Donau Chemie
Die Hydroforminganlage HF 2 im Bau

Die Betriebsanlagen befanden sich nördlich des Ortes Moosbierbaum, auf halber Strecke zur Donau. Markant waren vor allem die beiden 60 Meter hohen Schornsteine, die aus der Zeit zwischen 1916 und 1938 stammten. Sie gehörten ursprünglich zu einer großen Chemieanlage zur Produktion von Schwefelsäure, Phosphorsäure, Salzsäure, Bleicherde, Kartoffelstärke usw. Im Zweiten Weltkrieg waren die Schornsteine integrierte Bestandteile der notwendigen Kraftzentralen wie Dampf-, Warmwasser- und Energieerzeugung. Diese Anlagen wurden bis 1945 betrieben.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges stieg die Bedeutung der Anlage in Moosbierbaum durch den Wegfall wichtiger anderer Treibstoffproduzenten des Dritten Reiches ("Mineralölsicherungsplan 1944").

Im Mai 1944 erreichte die Flugbenzinproduktion den Höchststand von 7100 Tonnen, was knapp fünf Prozent der gesamten deutschen Flubenzinproduktion entsprach. Als am 26. Juli 1944 der erste Großangriff auf das Werk durchgeführt wurde, konnte bis Ende des Monats nichts mehr produziert werden. Im August jedoch erreichte man wieder einen Ausstoß von 3600 Tonnen. Am 28. August wurde das Werk jedoch erneut bombardiert, was zur Ausschaltung des Werks für über einen Monat führte. Erst im Oktober erreichte man wieder eine Produktionsmenge von 4300 Tonnen Flugbenzin. Der nächste große Luftschlag erfolgte am 6. November, der das Werk bis 10. Dezember lahm legte. Schon am 11. Dezember wurden die Werksanlagen bei einem erneuten Bombardement ausgeschaltet. Erst Ende Jänner war die Anlage wieder betriebsbereit. Ein "Double Blow" am 31. Jänner und 1. Februar 1945 (Abwurf von 1200 Bomben) zerstörte das Werk erneut und verhinderte ein Anlaufen der Flugbenzinproduktion bis Ende Februar. Am 1. März 1945 schließlich erfolgte ein Angriff mit über 600 Bombern, der das Hydroforming-Werk endgültig bis zum Ende des Krieges ausschaltete.(1)

Luftangriff auf Moosbierbaum am 14. Februar 1945
©www.461st.org
Luftangriff auf Moosbierbaum am 14. Februar 1945
Luftangriff auf Moosbierbaum am 1. März 1945
©www.461st.org
Luftangriff auf Moosbierbaum am 1. März 1945
Luftangriff auf Moosbierbaum am 16. März 1945
©www.461st.org
Luftangriff auf Moosbierbaum am 16. März 1945

Rätselhaft bleibt die Tatsache, dass die Hydroforminganlage nicht unter die Erde verlegt wurde oder zumindest ausreichenden Jagdflugzeug-Schutz bekam. Die Anlagen in Moosbierbaum waren lediglich durch starke, aber in Summe unzureichende, Flakeinheiten (vor allem 8,8 Centimeter Flak) geschützt. Bei den Kämpfen um das Tullnerfeld in den letzten Kriegstagen wurden die Flakeinheiten ins sogenannte Korps Schultz (Teil der 6. SS-Panzer-Armee) eingegliedert und beteiligten sich so verhältnismäßig erfolgreich an den Bodenkämpfen.

Herbst 1972 - die Ruinen der Treibstofferzeugung bei Moosbierbaum
©Josef B., 2000
Herbst 1972 - die Ruinen der Treibstofferzeugung bei Moosbierbaum
Anhand der Schornsteine am Horizont ist die riesige Ausdehnung des Werkes noch gut zu erkennen
©Josef B., 2000
Anhand der Schornsteine am Horizont ist die riesige Ausdehnung des Werkes noch gut zu erkennen

Die Anlage nach 1945:

Nach Kriegsende wurde das Werk von den Sowjets übernommen und schrittweise abgebaut. Das Areal der Hydroforming-Anlagen wird heute durch das Wärmekraftwerk Dürnrohr genutzt. Das Ruinenfeld wurde beim Kraftwerksbau zu einem gigantischen Schuttwall im Westen des Kraftwerks aufgetürmt. Dort ist noch heute ein Luftschutzbunker der Bauart "Salzgitter" zu finden - wahrscheinlich das letzte Relikt der ehemaligen Großanlage.

Das Gebiet der Hydroforminganlage heute: Überbaut durch das Wärmekraftwerk Dürnrohr
©Schmitzberger, 2000
Das Gebiet der Hydroforminganlage heute: Überbaut durch das Wärmekraftwerk Dürnrohr
Der Luftschutzbunker Salzgitter mit dem Schuttwall im Hintergrund
©Thomas Keplinger, 2015
Der Luftschutzbunker "Salzgitter" mit dem Schuttwall im Hintergrund
Salzgitter-Bunker Dürnrohr
©Thomas Keplinger, 2015
Salzgitter-Bunker Dürnrohr
©Thomas Keplinger, 2015
Salzgitter-Bunker Dürnrohr
©Thomas Keplinger, 2015
Salzgitter-Bunker Dürnrohr
©Thomas Keplinger, 2015
Salzgitter-Bunker Dürnrohr
©Thomas Keplinger, 2015

Quellen und weitere Informationen:

  • Holzmann Gustav, Der Einsatz der Flak-Batterien im Wiener Raum 1940-1945. (Militärhistorische Schriftenreihe 14, Wien 1970)
  • Richter Richard A., Das Werden der Donau Chemie AG (Zwentendorf 2002)
  • Schausberger Norbert, Rüstung in Österreich 1938-1945. Eine Studie über die Wechselwirkung von Wirtschaft, Politik und Kriegsführung (Publikationen des österreichischen Instituts für Zeitgeschichte und des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien 8, Wien 1970)
  • Ulrich Johann, Der Luftkrieg über Österreich 1939 - 1945 (Militärhistorische Schriftenreihe 5/6, Wien 1967)
  • (1) Schausberger, Rüstung in Österreich, S. 164 und 169

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